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Netzwerk

Welche Rolle spielen die beruflichen oder persönlichen Netzwerke in der beruflichen Laufbahn?

Ein Interview mit Daniel Baltzer, Lehrer am Feusi Bildungszentrum

Was hat Sie ursprünglich an die Feusi geführt − als Schüler, Lehrer, Schulleiter − und was hat Sie über vier Jahrzehnte hinweg mit der Schule verbunden? 

Warum als Schüler an die Feusi? Wir wohnten seinerzeit in Gais (Appenzell Ausserrhoden), und ich ging in Appenzell ins Gymnasium St. Antonius. Aufgrund des Umzuges nach Bern ergaben sich zwei Nachteile: Einerseits war damals der Schulanfang je nach Kanton im Frühling oder Herbst, so dass in diesem Falle ein halbes Jahr verloren gewesen wäre. Andererseits hätte ich eine Aufnahmeprüfung ins Gymnasium machen müssen, da aus einem anderen Kanton. Der wiederum hatte einen völlig anderen Lehrplan, so dass die Prüfung riskant gewesen wäre.

Daher ergab sich die Idee zur Feusi zu gehen, was nun zwei Vorteile zur Folge hatte: Ich konnte die Matura früher absolvieren als meine Kollegen in Appenzell und, weil es eine eidgenössische Matura, also ohne Vorschlagsnoten war, musste der gesamte Stoff beherrscht werden können. Das erwies sich dann später im Studium und Beruf als grosser Vorteil.

Warum als Lehrer an der Feusi? Ich hatte soeben meinen Master abgeschlossen und sollte meine Theorie mit einer Doktorarbeit beweisen, das entsprechende Nationalfondsprojekt war bereits bewilligt worden. Danach hätte ich Biochemie studieren wollen, denn Chemie hatte ich aufgrund des Spezialgebietes Isotopengeologie ja schon abgeschlossen, das wäre angerechnet worden. Da ergab sich eine Stellvertretung an der Feusi für meinen ehemaligen Geschichtslehrer Zoltan Janoscha. Natürlich fragten die Studierenden, was ich so mache und als ich ihnen meinen «Lebensplan» (wie man heute sagen würde) eröffnete, sagten sie: «Och nein, werden Sie doch Lehrer». Das kam ziemlich unerwartet und brachte mich zum Nachdenken.

Weil dann Zoltan Janoscha ganz aufhören musste, ergab sich die Möglichkeit einer Teilzeitstelle. Ich entschied mich für den Versuch: Wenn es nicht klappt, würde ich die Dissertation schreiben, wenn es klappt, dafür das höhere Lehramt. Die Begeisterung für meine Fächer zu vermitteln, empfand ich als wesentlich befriedigender als ein Spezialgebiet zu bearbeiten, das vielleicht fünf Wissenschaftler interessiert hätte.

Was führte zum Schulleiter? Ja, das weiss ich auch nicht, da müsste man den damaligen Rektor Martin Huber fragen, der aber nicht mehr lebt.

Welche Rolle spielte die Feusi-Community bei Ihrer Entscheidung, den Weg vom Schüler bis zur Lehrperson und zum Schulleiter an dieser Schule zu gehen?

Eine ziemlich grosse Rolle. Denn ich hatte damals als Schüler einige exzellente Lehrer wie Heinz Kopp (Chemie), Aschi Müller (BG), Felix Geiser (Biologie), Zoltan Janoscha (Geschichte), Urs Walter (Französisch), dann auch Fred Haenssler (Staatskunde) und Elisabeth Zillig (Leiterin). Diese waren alle noch da, was ein wesentlicher Anknüpfungspunkt war.

Wie hat sich das Kollegium und der Austausch unter den Lehrkräften an der Feusi im Laufe der Zeit verändert?

In der «alten» Feusi war Platz knapp, und so ist man sich oft begegnet und lernte auch die Lehrkräfte anderer Abteilungen kennen, egal, wo man sich aufhielt, da waren immer Kolleg/-innen. Im neuen Gebäude gibt es viel mehr Platz, aber spontane Begegnungen und Gespräche sind damit weniger der Fall.

Gab es innerhalb der Feusi ein besonderes berufliches oder persönliches Netzwerk, das Sie durch Ihre Laufbahn begleitet hat?

Ja, das waren einerseits die Lehrkräfte, die ich schon als Schüler hatte und noch mit mir zusammen viele Jahre im Kollegium waren, was auch für die Schulleitung galt. Als dann Sandra die Feusi übernahm, war es ebenfalls die Fortsetzung eines bereits bestehenden Netzwerkes. Aber dann gab es auch Lehrkräfte, die inzwischen auch schon länger dabei sind und eine zusätzliche Vertrautheit mit sich brachten. Die Trennung von beruflich und persönlich war in diesen Fällen eigentlich fliessend. Aufgrund der langen Dienstzeit sowie persönlicher Zufälle (gemeinsame Bekannte, Herkunft, Sport und Schulzeit) war das Netzwerk auch zur Schulleitung vorhanden.

Welche interdisziplinären oder stufenübergreifenden Netzwerke innerhalb der Feusi haben Ihre Arbeit bereichert?

Wenn ich gefragt würde, wie lange ich schon an der Feusi bin, dann wäre die Antwort aus dem Zeitgefühl heraus: etwa acht Jahre. Das ist darin begründet, dass es in der Feusi viele Ausbildungswege gab und gibt, und ich einige davon erlebt habe. Nämlich: Tagesgymnasium für Schulpflichtige und Erwachsene, Abendgymnasium, 10. Schuljahr, Sportschule, Handelsschule, Berufsmatura und Passerelle. Alle diese Ausbildungen hatten nicht nur unterschiedliche Studierende, sondern auch unterschiedliche Stoffpläne. Das war persönlich und fachlich bereichernd.

Inwiefern hat sich Ihr Netzwerk durch die verschiedenen Funktionen, die Sie an der Feusi übernommen haben, erweitert oder verändert?

Das hat schon eine Rolle gespielt: Als Lehrkraft hatte ich das Netzwerk des Kollegiums, als Vertreter des Gymnasiums in der Personalkommission erweiterte sich das auf die anderen Bereiche der Feusi, was mit dem Einzug in das grössere Gebäude zusätzlich an Bedeutung gewann, da Begegnungen seltener waren.

Als Fachverantwortlicher für Geografie hatte ich mit dem Ergänzungsfach vertieften Kontakt zu den Prüfungsexperten der Universität Bern. Daraus ergab sich dann wiederum die Anfrage, ob ich als Nachfolger von Prof. M. Hasler in den Vorstand der Geografischen Gesellschaft Bern als Nachfolger eintreten würde, der seinerseits jahrelang mein Experte im Ergänzungsfach gewesen ist.

Die Mitgliedschaft in der Naturforschenden Gesellschaft Bern sowie dem Historischen Verein Bern erweiterten das externe fachliche Netzwerk.

Wie wichtig war Ihnen der informelle Austausch, zum Beispiel in der Kaffeepause oder bei Schulveranstaltungen, für das Entstehen und Pflegen von Netzwerken?

Das spielt naturgemäss eine grosse Rolle, weil einerseits durch Diskussionen auch andere Interessen zutage treten, was bereichernd wirken kann. Andererseits ist so erkennbar, dass die Herausforderungen auch andere betreffen, und so konnten informell Lösungsansätze formuliert werden.

Haben Sie miterlebt, wie sich das Netzwerk der Feusi durch Digitalisierung, Strukturwandel oder neue Kollegien verändert hat?

Als ich erneut - diesmal als Lehrkraft - in die Feusi kam, da waren es - wie oben beschrieben - mehr als die Hälfte derselben Lehrkräfte, die ich hatte, und diese blieben noch jahrelang Arbeitskollegen. Ich denke, das wird so nicht mehr der Fall sein, Berufe werden zunehmend «Lebensphasen mit Projektcharakter». Eine Stelle wird schneller wieder gewechselt, die Suche nach einem noch besseren Job und die Angst, eine Chance zu verpassen, ist im digitalen Zeitalter mit vielen gleichzeitigen Informationen systemimmanent. Damit ergibt sich bestenfalls noch ein kleiner stabiler Kern. Die Integration eines ständig wechselnden Lehrkörpers wird daher eine wesentliche Herausforderung für die Schulkultur darstellen.

Was unterscheidet das Feusi-Netzwerk aus Ihrer Sicht von anderen Bildungsinstitutionen?

Ich habe auch etwas Erfahrungen als Lehrkraft in öffentlichen Schulen während der PH-Ausbildung sammeln können. Auffällig ist dabei gewesen, dass in der Feusi die Lehrkräfte sehr offen über Probleme mit Klassen oder im Betrieb gesprochen haben, während in öffentlichen Schulen Lehrkräfte gerne so tun, als hätten sie alles im Griff. Probleme eingestehen galt lange als persönliches Versagen. Das ändert sich dort aber zunehmend.

Wie möchten Sie die Beziehungen, die Sie an der Feusi über Jahrzehnte aufgebaut haben, auch im Ruhestand weiter pflegen oder nutzen?

Also einen «Ruhestand» gibt es für mich nicht, das wäre mir zu langweilig. Ich nehme im Gegenteil die Gelegenheit wahr, um noch Dinge zu erlernen, die ich noch nicht kann weil ich diese im Beruf nicht gebraucht habe.

Am Arbeitsplatz war ich Teil der Community, ohne diese auswählen zu können und wir hatten durch gegenseitige Hilfen einen «Nutzen» voneinander. In der nächsten Lebensphase hingegen kann ich das Umfeld weitgehend selber wählen und zwar ohne den «Nutzaspekt» berücksichtigen zu müssen. Daher möchte ich den Begriff «pflegen» verwenden.

Was war für Sie der wertvollste Aspekt an einem starken Netzwerk innerhalb einer so langjährigen beruflichen Heimat?

Die Vertrautheit mit dem System und den Lehrkräften ist ein wesentlicher Resilienz-Faktor gewesen.

Was würden Sie jungen Lehrpersonen an der Feusi mit auf den Weg geben, wenn es darum geht, sich ein tragfähiges Netzwerk aufzubauen?

Ich komme aus einer Zeit mit entsprechenden Werten, Vorstellungen und Erwartungen, die es so nicht mehr gibt. Damals ergaben sich Netzwerke viel langsamer, waren aber vielleicht nachhaltiger. Junge Lehrpersonen geben schneller auf und wechseln die Stelle oder gar den Beruf − aus welchen Gründen auch immer. Oft beginnen die Junglehrkräfte mit einem Teilpensum und es besteht dann die Gefahr, dass sie die Feusi wie ein Büro betreten und gleich wieder verlassen, ohne sich wirklich einzubringen.

Auch wenn die Feusi für sie teilweise nur eine Etappe ist, würde ich empfehlen sich einzubringen − sowohl in der Fachschaft wie auch am Kaffeetisch. Netzwerke ergeben sich erst im Laufe der Jahre. In der digitalen Welt ist fast alles sofort erhältlich − Wissen, Konsumgüter, Ratings − , tragfähige Netzwerke aber brauchen Zeit.

Autor: Feusi Kommunikation